Berliner Morgenpost Artikel

Frisch gekocht, trotzdem preiswert. Eine Privatschule in Mitte führt ein, was viele Eltern derzeit fordern - eine eigene Schulküche

Am Rande des weiß gestrichenen Kellergewölbes steht zusammengeklappt noch eine Tischtennisplatte. Auch ein an die Seite geräumter Schrank verrät, dass der Keller des alten Standesamtes an der Rückerstraße in Mitte erst seit Kurzem neu genutzt wird – als Schulküche. Seit dreieinhalb Jahren hat die internationale Privatschule „Berlin Cosmopolitan School“ das Backsteinhaus bezogen, in dem bis Mitte der 90er-Jahre noch Eheschließungen stattfanden. Und seit zwei Wochen versorgt die Schule in dem großen Keller ihre 500 Schüler und Kindergartenkinder aus der hauseigenen Küche.

Die Eröffnung fällt mitten in die Debatte um besseres Schulessen, nachdem 2800 Berliner Kinder sich durch chinesische Erdbeeren, geliefert vom Rüsselsheimer Catering-Unternehmen Sodexo, eine Magen-Darm-Erkrankung eingefangen hatten. Der Zeitpunkt ist Zufall, die Cosmopolitan School plant die Versorgung vor Ort konkret schon seit März. „Aber wir hatten offenbar den richtigen Riecher, dass Schulessen zu einem immer wichtigeren Thema wird“, sagt Schulleiterin Yvonne Wende.

Zusammen mit ihrem Mann Florian hat sie das Haus vor gut fünf Jahren gegründet. Die Privatschule hat die Möglichkeit auszuprobieren, was der Berliner Landeselternausschuss auch für die öffentlichen Schulen fordert: Die Rückkehr zur Schulküche.

Kaltes Essen und Püree aus Pulver

Die Debatte um die Qualität der Verpflegung an Schulen und Kitas kann das Ehepaar gut nachvollziehen. „Wir haben bis zu diesem Schuljahr wechselnde Caterer ausprobiert, aber waren nie zufrieden mit der Leistung“, sagt Yvonne Wende. „Ein großer Teil meiner Arbeit bestand ständig daraus, mit Eltern und Kindern auf der einen Seite und dem Caterer auf der anderen Seite zu verhandeln.“

Mal sei das Essen fast kalt in der Schule angekommen, mal seien trotz Allergiker-Vorsichtsmaßnahmen Nussecken geliefert worden, mal habe sich der „frische“ Kartoffelbrei als Fertigprodukt aus „frisch angerührtem“ Pulver entpuppt, erzählt Wende. Die Caterer seien stets aufrichtig bemüht gewesen, aber bei tausenden Mahlzeiten am Tag ließe sich einfach nicht die gewünschte Qualität erzeugen, sagt Wende. „Das Essen wurde zum drängenden Problem, wir mussten etwas ändern.“

Entscheidend geholfen auf dem Weg zur Schulküche hat der Vater zweier Schüler, der selbst in der Restaurant-Branche arbeitet. Er hat auch Hartmut Keuchel aufgespürt, der seit Beginn des Schuljahres Küchenchef mit vier Mitarbeitern an der Cosmopolitan School ist, und bereits viel Erfahrung mit der Versorgung Hunderter Kinder hat. Vor dem Fall der Mauer kochte der heute 58-Jährige für die Schulspeisung. Jetzt bereitet Keuchel mit seinem Team täglich zwei Gerichte zu, sorgt für die Salatbar und hält bei der Essensausgabe an der offenen Küche hier und da mal ein Schwätzchen mit den „kleinen Gästen“, wie er die Kinder nennt.

Kostenneutrale Eltern-GmbH

„Unsere Grundlage ist die Ernährungspyramide mit den Vorgaben für eine ausgewogene Ernährung.“ Die Herausforderung sei es, passende Mahlzeiten für Kita-Kinder wie für Gymnasiasten zu kochen und die kulturellen Anforderungen von 30 Nationen an der Schule zu berücksichtigen. „Aber ich habe sogar den Eintopftag bei den Kindern etabliert, obwohl Kinder mit Suppen oft nicht so warm werden.“

Eine Privatschule verfügt gewiss über andere Möglichkeiten, die Verpflegung der Schüler in Eigenregie einzuführen als eine öffentliche Schule. „Ohne das Engagement der Eltern hätten wir das nicht geschafft“, sagt Florian Wende. Mit Hilfe vieler Eltern wurde eine eigene GmbH gegründet, die das hauseigene Catering kostenneutral betreibt.

Ein Vater ist Geschäftsführer, auch das nötige Equipment wurde mit Hilfe von Eltern angeschafft, rund 70.000 Euro hat das gekostet. Florian Wende hält es aber nach seinen Erfahrungen trotzdem für realistisch, auch an öffentlichen Schulen wieder Schulküchen zu etablieren – solange die notwendige Infrastruktur, wie etwa passende Räumlichkeiten, bereits vorhanden sei.

Jeden Tag fangen Keuchel und sein Team um sechs Uhr mit den Vorbereitungen an. Am Mittwochvormittag kocht Keuchel gefüllte Paprika, einmal vegetarisch mit Couscous, einmal mit Hackfleischfüllung. Die Kosten für die Mahlzeiten liegen laut Schulleitung zwischen 2,80 und 3,50 Euro, Personal- und Betriebskosten inbegriffen. Die Eltern zahlen das Essen in einer Pauschale zusätzlich zum Schulgeld, das einkommens- und stipendienabhängig bis zu 450 Euro im Monat beträgt.

Pädagogischer Effekt

Mit den Kosten liegt die Schulküche zwar über den sonst in Berlin gängigen Preisen an öffentlichen Schulen, aber unter denen, die jüngst eine Studie der Senatsverwaltung für ein qualitativ angemessenes Schulessen ermittelt hat. Die Ausschreibungen für die Schul-Caterer in den Bezirken legen derzeit einen Preis von 1,79 bis 2,30 Euro pro Person zugrunde – der Verband der Berliner Caterer sagt, dass zu diesem Tarif kein hochwertiges Essen zu produzieren sei.

Die Studie der Bildungsverwaltung setzt rund 3,20 Euro für Grundschüler und rund vier Euro für einen Sekundarschüler pro Mahlzeit an. In der Landespolitik wird derzeit heftig diskutiert, wie teuer ein Schulessen sein darf, welche Kosten Eltern und Land zu tragen haben und wie sich die Qualität der Schulverpflegung verbessern ließe.

„Eine Schulküche spart Kosten für den Transport der Speisen in die Schule ein, wir haben keine überflüssige Bürokratie und machen keinen Gewinn“, sagt Florian Wende. Außerdem freut sich die Schulleitung über den pädagogischen Effekt der eigenen Küche. „Die Kinder sehen, wie ihr Essen zubereitet wird“, sagt Yvonne Wende. Dadurch entstehe ein ganz neues Verständnis und Interesse für das Kochen. Die Kochkurse, die Hartmut Keuchel für Schüler anbietet, seien stets ausgebucht.